Das Hengstenberg Material basiert auf die Bewegungsförderung nach Elfriede Hengstenberg. Kinder sollen in der Lage sein, sich mit einfachen Materialen ausprobieren zu können. Dadurch werden das Selbstbewusstsein und die Motorik gefördert.
Für die Kinder gibt es nur ein paar grundlegende Regeln:
- Es wird barfuß geturnt
- Kein Drängeln und Schubsen
- Jeder geht sein eigenes Tempo
- An jedem Gerät nur ein Kind
- Nicht meckern und motzen
Die Kinder entscheiden selbst, welche Materialen sie zusammen aufbauen und was sie spielen möchten. Der Raum kann sich in ein Dschungel verwandeln oder in eine Berglandschaft. Sie nutzen ihre Fantasie und schon balancieren, krabbeln und klettern die Kleinen im Raum umher.
Inhaltsverzeichnis
Kurze Fakten zum Hengstenberg Material
- Die Materialien laden dazu ein, sie auszuprobieren
- Vertrauen und Bewegung werden geschult
- Kinder können selbstständig agieren
- Sie lernen, ihre Grenzen und Fähigkeiten einzuschätzen
Bei der Arbeit mit den Hengstenberg Materialien sollen die Kinder nur beobachtet werden und sie sollen einfach machen, ohne dass Erwachsene ins Spielgeschehen eingreifen. Diese neigen oft dazu, ihnen eine Lösung für das Problem zu präsentieren oder zu Leistungen anzuspornen, zu denen sie noch nicht fähig sind. Wenn Kinder allein agieren, können natürlich auch einmal kleine Unfälle passieren. Diese können im Vorfeld besprochen werden und auf diese Weise die Gefahren umgangen werden. Denn bei dem Hengstenberg Konzept geht es darum, dass die Kinder selbstständig agieren. Jedes Kind bekommt die Zeit sich zu entwickeln.
Hengstenberg Geräte
Die Kinder suchen sich über eine Menge abenteuerliche Hindernisse mit viel Neugierde den selbst gewählten Weg. Sie entdecken dabei, was hinter dem inneren und äußeren Gleichgewicht steht. Die Hengstenberg Geräte sind alle miteinander kombinierbar und stellen bewegliche und vielseitige Elemente dar. Die Kinder haben so viele Möglichkeiten, sich Bewegungslandschaften zu schaffen. Sie dürfen dabei ihre eigene Dynamik und eigenes Zeitmaß erkunden und können der Entfaltung ihrer Bewegungsfreude und Geschicklichkeit Raum geben.
Die Hengstenberg-Bewegungsgeräte werden seit 1991 zusammen mit Bewegungstherapeuten erstellt. Die Kinder werden mit diesen zum Balancieren, Hangeln, Klettern, Krabbeln, Kriechen, Rutschen und Springen aufgefordert. Sie haben die Möglichkeit, sich Bewegungslandschaften zu erschaffen, die sie mit eigener Dynamik und eigenem Zeitmaß erkunden können und dies gibt der Entfaltung der Bewegungsfreude und Geschicklichkeit Raum. Die Kinder sind total neugierig und suchen über viele abenteuerliche Hindernisse einen selbst gewählten Weg. Das ermöglicht ihnen, hinter das Geheimnis des äußeren und inneren Gleichgewichts zu kommen.
Elfriede Hengstenberg will die Kinder nicht zur Nachahmung vorgefertigter Turnübungen bewegen, sondern ihnen viele Gelegenheiten geben, eigenständig zu erproben und eigene Handlungsmöglichkeiten zu entfalten. Die Senkfüße, schlaffer Rücken oder schiefe Hüften sollen nicht von außen durch rigide Handlungsvorschriften korrigiert werden, sondern die Kinder sollen sich auf Brettern, Hockern und Stangen ausprobieren. So erfahren sie nach und nach das Geheimnis der aktiven Aufrichtung, die sie aus eigenem Antrieb erlernen.
Wackelbrett
Pikler Dreieck
Holzleiter – klassisches Hengstenberg Material
Flussteine
Das Spielmaterial
Alle Materialien bestehen aus Holz. Zu den klassischen Hengstenberg-Materialien gehören beispielsweise Bodenelemente, wie Kippel- oder Vierkanthölzer, Hocker, Leitern, Matten, Rutsch- und Wackelbretter. Es gibt kleine Bodenelemente, die flexibel einsetzbar sind. Dagegen gibt es auch sehr große Geräte, zum Beispiel das Fünfstangenklettergerät. Alle laden zum Balancieren, Bauen, Klettern und Kriechen ein.
Hintergründe zum Hengstenberg Material
Elfriede Hengstenberg
Elfriede Hengstenberg (1892-1992) war eine Gymnastiklehrerin aus Berlin. Sie hat in den 1920er Jahren eine Bewegungspädagogik entwickelt. Diese nimmt die Kinder allumfassend in ihrer Lebenswirklichkeit wahr. Kinder können an einfachen Holzgeräten ihre Experimentierfreude ausleben und setzen sich selbstständig mit den Materialien auseinander. Sie spielen frei und auf diese Weise entwickeln und reifen sie aus eigenem Antrieb.
Elfriede Hengstenberg hat jahrelang mit Elsa Gindler zusammengearbeitet und bei Heinrich Jacoby studiert. Die beiden Pädagogen schenkten dem Phänomen unverstörtes kleines Kind eine aufmerksame Beachtung. Sie erhielten Einblicke in die Entfaltungsmöglichkeiten, welche im Naturell des Menschen liegen. Jacoby hat schon 1926 betont, dass die Möglichkeiten bereits in der frühen Kindheit entmutigt werden. Und 1945 sagte er, dass die Fähigkeiten eher an den Tag kommen, wenn sich keiner einmischt und in den ersten vier Jahren unterstützen, in denen die Kinder sich in die Beziehungen zu der Welt einarbeiten.
Geschichte der Hengstenberg-Arbeit
Elfriede Hengstenberg arbeitete von 1915 bis 1980 privat als Bewegungspädagogin sowie an Schulen als freie Mitarbeiterin. In den Jahren von 1928 bis 1933 war sie an der Montessorischule tätig. 30 Jahre lang hatten Kinder einer Zehlendorfer Privatschule Unterricht bei ihr anstatt der üblichen Turnstunden. Es kamen sogar privat Kinder vom vierten Lebensjahr an und Jugendliche anderer Schulen in Gruppen oder einzeln zu ihr. Wo immer es möglich war, versuchte sie, dass auch die Eltern ihrer betreuten Kinder mitarbeiteten. Sie vermittelten nicht nur ihnen, sondern auch anderen interessierten Erwachsenen und auch Pädagogen ihr Anliegen, respektvoll mit Kindern umzugehen.
Sie betrachtete den Zustand, in dem viele der Schulkinder zu ihr kamen, mit Besorgnis. Die Kinder waren vertobt oder schlaff, was zu Haltungsschäden oder weiteren Auffälligkeiten führte. Elfriede Hengstenberg sah dies als Reaktion auf Anforderungen, welche dem kindlichen, wachsenden Organismus nicht entsprachen. Wenn die Kinder selbstständig agieren konnten und dabei nicht gestört wurden, entwickelten die zuvor lustlosen Schulkinder wieder echtes Interesse. Die Kinder bekommen dadurch die Spannkraft, welche die Erwachsene versuchen, ihnen zu erhalten, dass sie Widerstände aus eigener Initiative erreichen. Aus diesem Grund erfand Hengstenberg Geräte und Aufgaben, bei denen Kinder Lust darauf haben, sich selbst auszuprobieren. Auf diese Weise entdecken die Kinder die Zusammenhänge zwischen den spielenden Nicht-Gelingen oder Gelingen eines Versuchs und ihrer Verhaltensweisen mit eigenen Sinnen. So nehmen die Kinder wahr, warum sie ihre Fähigkeiten nicht frei entfalten konnten. Diese Einsichten können auch ins tägliche Leben übertragen werden.
Grenzen besser einschätzen
Zu dem eigenständigen Spielen gehört natürlich auch das Aufräumen. Und am Ende berichten die Kinder, was nicht geklappt hat und was ihnen gefallen hat.
Wichtig bei dem Konzept nach Hengstenberg ist, dass die Kinder nicht vorgegebene Übungen nachahmen sollen, sondern sich selbst mit den Materialien ausprobieren. Bewegung im freien Spiel ist ein wichtiger Bestandteil für die psychomotorische Entwicklung der Kleinen.
Wenn sich Kinder bewegen, können sie sich entfalten. Auf diese Weise beschäftigen sich die Kinder mit ihrer Umwelt und lernen zur gleichen Zeit, ihre Fähigkeiten und damit ihre Grenzen besser einzuschätzen. So wird auch die Entwicklung im sprachlichen und sozialen Bereich positiv beeinflusst. Wenn die Kinder nicht alle dieselbe Übung machen, dürfen sie nicht drängeln, lernen sich abzusprechen und müssen so Geduld beweisen.
In ihrem Alltag können sich Kinder immer weniger ohne Gefahr frei bewegen, daher werden solche Spielstunden immer wichtiger. Wenn die Kinder sich nicht genug bewegen, können Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen sowie Verhaltens-und Bewegungsauffälligkeiten entstehen. Bei dem Hengstenberg Konzept kann das nachgeholt werden, was im Kinderalltag ohne Bewegung fehlt: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie Freude an Bewegung.
Pädagogische Gebrauchsanweisung
Wer sich mit der Vorgehensweise von Elfriede Hengstenberg beschäftigt, für den macht es Sinn, sich auch gründlich mit der Kleinkindpädagogik der Kinderärztin Emmi Pikler aus Ungarn zu beschäftigen. Sie erforschte die autonome Bewegungsentwicklung.
Emmi Pikler zeigt auf, welch harmonische Bewegungen ein Säugling erlangt, wenn diese im freien Spiel selbst erarbeitet werden können. Um diese entwickeln zu können, muss dem Baby eine Aufmerksamkeit zugewendet werden, dass es mehrfach wiederkehrende Zeiten des Zusammenseins erhält, sodass das Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit gesättigt wird.
Die Haltungsschäden und späteren Ungeschicklichkeiten der Kinder liegen oft daran, dass sie im Säuglings- und Kleinkindalter gewisse Entwicklungsphasen nicht genügend auskosten konnten. Kinder, die oft in der Babywippe oder auf dem Schoß sind oder herumgetragen werden, können die zahlreichen Übergangspositionen, bei denen sie sich zum Sitzen und Stehen aufrichten, nicht ausprobieren. Das Kind nutzt auch nicht die unterschiedlichen Fortbewegungsarten, wie Bären- und Kniegang, Krabbeln, Kriechen, Robben und Rollen ausreichend, bevor es in der Lage ist zu gehen. Der Mangel an aktiver Bewegung als Säugling und Kleinkind soll später mit Schulsonderturnen und Krankengymnastik ausgeglichen werden. Daher sollte besonders im Kindergarten die Möglichkeit und Zeit gegeben werden, um die fehlende Bewegung nachzuholen. Das bedeutet, dass sich besonders mit dem Spielen am Boden, Krabbeln, Kriechen und Robben beschäftigt und dafür auch Gelegenheiten angeboten werden: Beispielsweise können Hocker dafür genutzt werden, um unter der Sitzfläche hindurchzukriechen.
Selbsterkundung
Wenn dem Kind genügend Zeit gegeben wird, die Übergangsstufen selbst zu erkunden, hat dies viele Vorteile, es entwickelt beispielsweise keine Höhenangst. Es geht darum, die Kinder nicht dazu zu drängen, hoch hinaus zu wollen, sondern eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der sie sich gut selbst einschätzen können. Sie können sie die hohe Leiter ohne Angst im freien Spiel erklimmen, weil sie es sich zutrauen und darauf vorbereitet sind.
Viele Erzieher und Eltern denken allerdings immer noch, dass ohne ein geplantes Projekt und Programm die Kinder nichts lernen und daher nicht ausreichend auf die Schulzeit vorbereitet werden. Das kindliches Spiel hat einen hohen Wert, denn dadurch sollen die eigenen Möglichkeiten entdeckt werden und die Welt und deren Gesetzmäßigkeiten erforscht werden. Es wird leider nicht so viel beachtet, dass der Aktivität und Initiative ausgelöst durch die inneren Bedürfnisse für die Selbstverwirklichung und Selbstfindung, eine hohe Bedeutung zukommt. Die Erwachsenen haben dabei eine wichtige Aufgabe, denn sie bereiten den Raum und schaffen das Erfahrungsfeld.
Fazit
Das Gehirn entwickelt sich je besser desto vielseitiger sich die Kinder in den ersten Jahren bewegen und desto höher sind dann die schulischen Leistungen. Der Schlüssel dabei sind die Reize von außen. Das Hengstenberg-Material bietet dabei diese Reize, indem es zum Bauen und Klettern einlädt. Die Kinder probieren sich selbst aus und werden nicht von außen aufgefordert.
Letzte Aktualisierung am 29.03.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API